Verwendung von Neonic-Saatgut in der EU

Notfallzulassungen für Neonics in der EU für 2023

Seit 2018 dürfen die neonikotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in der EU nicht mehr im Freiland eingesetzt werden. Viele EU-Mitgliedsstaaten hatten in den vergangenen Jahren daher Notfallzulassungen erwirkt, um Zuckerrüben-Saatgut weiterhin mit diesen Wirkstoffen beizen und aussäen zu dürfen. Mitte Januar 2023 hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass diese Notfallzulassungen den EU-Rechtsrahmen sprengen, da diese ausdrücklich per Durchführungsverordnung verboten seien. Nach einem eilig einberufenen Treffen mit Vertretern der EU-Mitgliedstaaten hat die Kommission klargestellt, dass es aufgrund des EuGH-Urteils mit sofortiger Wirkung nicht mehr möglich sein wird, Eilzulassungen für die Rübensaatgutbehandlung mit Neonicotinoiden zu erteilen. 

In Ungarn bestätigte kürzlich allerdings die nationale Behörde, dass eine entsprechende Notfallzulassung, die vor dem Datum des EuGH-Urteils erteilt wurde, in Kraft bleibe und ungarische Zuckerrübenanbauer daher das mit Cruiser FS 600 behandelte Rübensaatgut im Jahr 2023 verwenden dürften. Neben Ungarn haben auch Finnland, Tschechien, die Slowakei, Rumänien und Litauen mitgeteilt, dass die für 2023 gewährten Notfallzulassungen für das mit Neonicotinoiden behandelte Rübensaatgut beibehalten wird.

Just hat sich auch Großbritannien für den Einsatz der neonikotinoiden Beizung entschieden. Grundlage für die Entscheidung war das Ergebnis einer Modellrechnung von Rothamsted Research, des größten britischen Agrarforschungszentrums. Demnach wäre zum Stichtag 30. März 2023 von einer Virusvergilbung von landesweit 67,5 % auszugehen. Das Landwirtschaftsministerium hatte im Januar eine befristete Notfallzulassung von Cruiser SB in Aussicht gestellt, sobald eine Virusinzidenz von 63 % oder mehr vorhersagt werde. Im vergangenen Jahr hatte der betreffende Wert lediglich bei 19 % gelegen. Der für die Landwirtschaft zuständige Direktor bei Britsh Sugar, Dan Green, unterstrich die Notwendigkeit der Saatgutbehandlung in diesem Jahr, um die Kultur vor dem Virus und damit die Existenzgrundlage der Rübenanbauer zu schützen. Zugleich betonte Green, dass die Branche weiterhin nach alternativen Lösungen suche.

Österreich hat aktuell für 2023 ebenfalls einen Antrag auf eine entsprechende Notfallzulassung gestellt. Mit der EuGH-Entscheidung ist allerdings klar, dass eine Bewilligung des Antrags durch die dem Landwirtschaftsminister unterstellte Behörde nicht mehr erteilt werden kann. Ein in Österreich in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kam zum gleichen Ergebnis. Österreichische Zuckerrübenanbauer konnten bisher jedes Jahr auf die Force-Beize zurückgreifen. Erfahrungen aus den Bundesländern Burgenland und Wien hätten gezeigt haben, dass insbesondere zur Bekämpfung des Rübenderbrüsslers und des  Rüsselkäfers neonicotinoide Wirkstoffe notwendig gewesen seien. „Es kann nicht im Interesse der EU sein, die Produktion hierzulande zu drosseln, alles zu verbieten und damit den grünen Umhang aufzusetzen und gleichzeitig die Tür für Importe aus Regionen zu öffnen, die weit von vergleichbaren Produktionsstandards der EU entfernt sind.“, kritisierte Präsident Karpfinger vom Rübenanbauverband „Die Rübenbauern“.

Um Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken, hat die EU-Kommission unlängst auch die zulässigen Rückstandhöchstwerte von Neonicotinoiden in Lebens- und Futtermittel auf Null gesetzt.  Rückstandhöchstwerte von Pflanzenschutzmitteln sollen sowohl für die heimische Erzeugung als auch für Importe gelten. Damit hat die EU-Kommission eine Lücke im Außenhandel geschlossen: Importeure aus Drittländern, in denen Neonicotinoide erlaubt sind, müssen dafür sorgen, dass in ihren Lebens- und Futtermitteln keine Rückstände nachzuweisen sind.